Erich Kastner by Der 35.Mai oder Konrad reitet in die Sudsee

Erich Kastner by Der 35.Mai oder Konrad reitet in die Sudsee

Autor:Der 35.Mai oder Konrad reitet in die Sudsee [Sudsee, Der 35.Mai oder Konrad reitet in die]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2012-03-13T13:01:50+00:00


»Abwarten und Tee trinken«, gab das Pferd zur Antwort,

Die Straße war sehr belebt. Man sah Jungen, die Aktenmappen unterm Arm und Zylinderhüte auf den Köpfen trugen. Man sah kleine Mädchen, die in modernen Kostü

men einherspazierten und Einkäufe erledigten. Man sah überhaupt nur Kinder.

»Verzeihung!« sagte Konrad und hielt einen Jungen fest, der gerade in ein Auto steigen wollte. »Hör einmal, gibt es denn bei euch keine Erwachsenen?«

»Doch«, antwortete der Junge. »Aber die Erwachsenen sind noch in der Schule.«

Dann stieg er in sein Auto, nickte Konrad zu und rief: »Ich muß rasch zur Börse.« Und schon brauste er um die Ecke.

»Mir bleibt die Spucke weg«, sagte Konrad.

»Es geht auch ohne«, erwiderte das Pferd.

»Was haben denn die Erwachsenen in der Schule zu suchen und die Kinder auf der Börse?« fragte Konrad.

Das Pferd zuckte die Achseln und rollte weiter. Der Junge konnte kaum folgen. Glücklicherweise war die Schule in der Nähe. »Den schwererziehbaren Eltern gewidmet« stand darüber.

»Na, gehen wir rasch hinein«, sagte das Pferd.

Sie gingen hinein. Hinter einem Schalter saß ein kleines Mädchen und wollte wissen, wen sie suchten.

»Einen gewissen Herrn Ringelhuth«, antwortete das Pferd.

Das kleine Mädchen blätterte in einem Oktavheft und sagte schließlich:

»Ringelhuth? Der ist im Anfängerkurs.«

»Was macht er denn dort?« fragte Konrad.

»Dort wird er erzogen«, gab das Schaltermädchen zur Antwort.

»Ich werde verrückt!« rief Konrad. »Ich will sofort meinen Onkel wiederhaben!«

»Zimmer 28«, sagte das Mädchen streng und schloß den Schalter.

Nun stiegen das Pferd und der Junge eilig die Treppe hinauf, dann liefen sie durch einen kahlen Gang und suchten Zimmer 28.

Plötzlich rief eine Kinderstimme: »Konrad, Konrad!« Der Junge wandte sich um und sah ein rothaariges Mädchen näher kommen. Die Kleine hatte Zöpfe, und diese Zöpfe standen schräg vom Kopf weg, als seien sie auf Blumendraht geflochten,

»Babette!« rief er.

Und dann rannten beide aufeinander los und schüttelten sich die Hände.

»Wie kommst du in die Verkehrte Welt?« fragte Babette erstaunt.

»Wir sind nur auf der Durchreise hier«, erzählte Konrad. »Wir wollen nämlich nach der Südsee, weil ich darüber einen Aufsatz schreiben muß. Und nun suchen wir meinen Onkel. Den haben sie am Eingang weggeschleppt. Er sitzt im Anfängerkurs. Hast du einen Schimmer, was er dort soll?«

»Ach, du mein Schreck!« rief das Mädchen. »Das ist gewiß ein Mißverständnis. Dein Onkel ist doch ein netter Kerl?«

»Und ob!« erwiderte der Junge.

»Im Empfangsbüro haben sie bestimmt gedacht, du wolltest ihn zur Erziehung herbringen.« Babette war richtig ärgerlich. »Kommt, wir wollen ihn rausholen. Das geht ganz leicht. Ich bin nämlich Ministerialrätin für Erziehung und Unterricht.«

Sie nahm Konrad bei der Hand.

»Moment mal«, meinte das Pferd. »Was hat eure Verkehrte Welt eigentlich zu bedeuten? Ich bin zwar nicht auf den Kopf gefallen, aber klar ist mir das noch nicht.«

Babette blieb stehen.

»Das ist so«, sagte sie. »Es gibt bekanntlich nicht nur nette Eltern, sondern auch sehr böse. Ganz genau so, wie es nicht nur gute Kinder gibt, sondern auch furchtbar ungezogene.«

»Stimmt«, bemerkte Konrad und nickte.

»Wenn sich nun diese bösen Eltern gar nicht ändern wollen und wenn sie ihre Kinder zu Unrecht strafen oder gar quälen - denn das gibt’s auch -, so werden sie hier eingeliefert und erzogen.



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